Baukultur erforschen und vermitteln,
damit sie besser wird!

Architektur und Raumplanung haben unmittelbaren Einfluss auf unsere Lebensqualität. Obwohl es für uns einen großen Unterschied macht, ob wir uns in unserer Wohnumgebung wohl fühlen oder nicht, ob wir Besorgungen zu Fuß erledigen können oder dafür ein Auto brauchen, ob unsere Kinder problemlos Plätze zum Spielen finden oder nicht, nehmen die meisten von uns selten aktiv Einfluss auf ihre Umgebung. Damit Baukultur besser wird, müssen sich möglichst viele in die Gestaltung ihrer Umwelt einbringen. Dafür braucht es grundlegende Kompetenzen bei jenen, die sich beteiligen wollen, Möglichkeiten, diese Kompetenzen zu erwerben, und Forschung, um entsprechendes neues Wissen aufzubauen.

Ausstellung "Sichtbar!" im Rahmen der Architekturtage 2019 in Linz

© Violetta Wakolbinger

Das Problem

Wie die gebaute Umwelt – Gebäude, Freiräume, Infrastrukturen – gestaltet ist, trägt zum Wohlbefinden oder Unbehagen jeder und jedes Einzelnen bei. Darüber hinaus hat diese Gestaltung eine große ökonomische Bedeutung, denn ein Großteil von unser aller Lebenseinkommen wird fürs Bauen und Wohnen verwendet. Dazu kommen Kosten für Fahrten in die Arbeit, zum Einkauf oder in die Freizeit, die ebenfalls durch Raumplanung bestimmt sind. Es ist also sowohl individuell entscheidend, wo und wie wir wohnen und arbeiten, als auch gesamtgesellschaftlich bedeutend – speziell auch im Hinblick auf die drängende Klimakrise und den negativen Einfluss, den zu viel Verkehr darauf hat.

Auf welche Weise und wie nachdrücklich die gebaute Umgebung unser Leben beeinflusst, ist uns kaum bewusst. Vielfach fehlen aber auch die wissenschaftlichen Grundlagen im Fachgebiet der Baukultur. Das Wissen um Architektur, Raumplanung und Freiraumgestaltung, kurz gesagt um Baukultur, ist noch nicht breit gesellschaftlich verankert und auch in der Berufsausbildung beispielsweise an Universitäten, Fachhochschulen oder Höheren technischen Lehranstalten nicht etabliert. Vermittlungsangebote – etwa für junge Menschen – werden bisher nur sehr punktuell angeboten. Viel zu wenigen Menschen, die vom Bauen betroffen sind, wird die Möglichkeit gegeben, sich zu beteiligen und mitzuentscheiden.

Entsprechend gibt es auch nur wenig Forschung und kaum Forschungsförderungsmittel in diesem Bereich. Förderungen konzentrieren sich meist auf Einzelaspekte und sind technologie- und produktorientiert, jedoch kaum so breit und interdisziplinär gestaltet, dass sich tatsächlich Baukulturforschung betreiben ließe.

Zu wenig Wissen und Möglichkeiten für Beteiligung führen oft zu reiner Ablehnung.

© Leonhard Lenz

Baukultur hat Lösungen!

Bessere Baukultur braucht Vermittlung und Beteiligung vor Ort. Auch Forschung kann im Zusammenhang mit lokalen Projekten betrieben werden. Baukultur wird dann besser, wenn sich Menschen in ihren Entstehungsprozess mündig einbringen können.

Alle Menschen sollen sich in ihrer Bildungslaufbahn und in der Fortbildung mit Architektur, Raumplanung und Freiraumgestaltung befassen können. Um dies auf Augenhöhe und über Eigeninteressen hinaus tun zu können, sind Basiskompetenzen erforderlich:

  • Sehen lernen: es gilt, die Umwelt mit offenen Augen wahrzunehmen
  • Sprechen können: eigene Anliegen formulieren und produktive Dialoge führen
  • Mitentscheiden: gemeinschaftliche Entscheidungen werden besser akzeptiert

Unterschiedliche Vermittlungs- und Bildungsangebote im alltäglichen Lebensumfeld, aber auch darüber hinaus helfen bei der bewussten Wahrnehmung. Je nach Alter und Zielgruppe sind dabei verschiedene Schwerpunkte zu berücksichtigen. Beispielsweise sind Schulen ein hervorragender Ort, um Baukulturvermittlung anzubieten, auch im Zusammenhang mit konkreten Projekten vor Ort. Die Formate sind vielfältig und reichen von Information über Diskussion bis zur Partizipation. Es können Ausstellungen, Vorträge, Diskussionen, Exkursionen, Raumspiele und vieles mehr sein. Baukulturforschung ermöglicht es, das Wissen über Baukultur laufend zu erweitern und mit anderen Disziplinen zu vernetzen. Forschungsprojekte sind immer auch dann sinnvoll, wenn sie mit konkreten Planungs- und Bauprojekten verknüpft sind. Geeignete Partner*innen dafür sind zum Beispiel Universitätsinstitute im Bereich Planung und Soziologie oder unabhängige Forschungsinstitute.

Wer später einen Beitrag zu Beteiligung leisten will, muss das als Kind lernen können.

© Isabel Stumfol

Beteiligung an der Planung im eigenen Ort oder in der eigenen Stadt ist Voraussetzung für die Teilhabe als mündige Bürgerin oder mündiger Bürger.

© nonconform

Grundlagen für Baukultur schaffen

Wissen um Baukultur hilft, dass unsere Umwelt lebenswerter wird. Der Bund und die Länder können durch Förderung und Rahmenbedingungen viel dazu beitragen.

Fundierte Vermittlung sowie Forschung über Architektur und Baukultur sind nicht möglich ohne öffentliche Finanzmittel, um gesichert und langfristig arbeiten zu können. Es geht dabei um:

Bundesmittel aus den Ressorts Bildung und Wissenschaft, Kunst und Kultur, Umwelt, Infrastruktur sowie Nachhaltigkeit und Tourismus

Förderungen von Ländern und Gemeinden

Forschungsgelder aus Fonds und Forschungsförderungsinstitutionen

Auch Private – Unternehmen und Interessensverbände – sollen Baukulturvermittlung und Baukulturforschung unterstützen

Sinnvoll ist es, derartige Förderungen an Vermittlung und Beteiligung zu knüpfen. Zusätzlich zur Forschungs- und Vermittlungsförderung sollen der Bund und die Länder Rahmenbedingungen für Beteiligung schaffen, etwa indem sie in Qualitätskriterien Beteiligung als Voraussetzung für Förderungen aufnehmen und Beteiligungsmodelle vorschlagen. Auch die Integration von Vermittlung und Beteiligung in Instrumente wie Gestaltungsbeiräte und Architekturwettbewerbe ist sinnvoll und soll gefördert werden.

woodpassage in Linz
Eine begehbare Installation, die an vielen Orte zu sehen ist.
Konzept, Entwurf, Gestaltung: Atelier Andrea Gassner

© Kurt Hörbst

Mit Partner*innen aktiv werden

Bei Baukulturvermittlung geht es nicht darum, dass alle „kleine Architekt*innen“ werden, sondern um Raumverständnis und Wissen um Gestaltbarkeit – und damit Beeinflussbarkeit – von Architektur.

Wichtige Partner sind Bildungsinstitutionen (vom Kindergarten bis zur Erwachsenenbildung). Die Architekturhäuser, die es in Österreich in allen Bundesländern gibt, bieten vielfältige Programme und Raum für Austausch. Gestaltungsbeiräte können mit ihrer Expertise und öffentlichen Diskussionen wichtige Inputs und Impulse zur Baukulturvermittlung geben. Beteiligungsprozesse bei konkreten Umgestaltungs- und Bauaufgaben machen Baukultur unmittelbar erlebbar. Büros und Vereine mit Partizipationskompetenz sind sachkundige Wegbegleiter.



10.09.2024

Podiumsdiskussion Baukultur im Nationalrat?

Eine Diskussion zu Boden­schutz, Bestands­erhaltung, Baukultur­förderung

Di 10.09.2024, 18:00-20:00
Im Vorfeld der Parlamentswahlen diskutieren Politiker* innen mit Expert*innen zu Boden, Bestand, Baukultur. Diskutieren Sie mit!

Politiker*innen: Lukas Hammer, Grüne; Elke Hanel-Torsch, SPÖ; Johannes Margreiter, Neos; Johannes Schmuckenschlager, ÖVP (angefragt); Philipp Schrangl, FPÖ (angefragt)

Expert*innen: Simon Pories, WWF; Carina Sacher, Allianz für Substanz; Robert Temel, Plattform Baukulturpolitik

Moderation: Franziska Zoidl

Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Architekturzentrum Wien

 

Folder „Österreich ist schön“

Baukulturpolitische Herausforderungen 2024