Abläufe und Verfahren

Die meisten Menschen denken beim Begriff Architektur an gebaute Materie, an große Objekte, an Gebäude. Damit liegen sie natürlich nicht falsch – aber ebenso wichtig wie diese Objekte sind die Abläufe und Verfahren rund um ihre Entstehung und Nutzung: Wie wird entschieden, wo was gebaut wird? Wie entsteht ein Raumprogramm für ein Gebäude? Wie wird es finanziert, wie wird es entworfen, wie wird es gebaut? Und natürlich: Wie wird es schließlich genützt, wie wird es später umgebaut oder wieder abgerissen und ersetzt? All das ist eine Frage der Kultur, des „Wie macht man es?“, also der Baukultur.

Bürgerbeteiligung für Auffrischung des Pfarrplatzes, Klagenfurt, Kärnten, 2017

© StadtKommunikation/Spatzek

Baukultur ist, wie etwas gemacht wird

Der Begriff Baukultur wurde auch deshalb eingeführt, weil er deutlich macht, dass es bei der gebauten Umwelt eben nicht nur darum geht, wie sie ist, sondern auch, wie sie entsteht, wie sie verändert und weiterentwickelt wird – das heißt es geht um Abläufe und Verfahren.

Die Beschäftigung mit diesen Abläufen und Verfahren ist vor allem deshalb so wichtig, weil sie entscheidend für die Qualität der gebauten Umwelt sind und somit auch entscheidend dafür, wie gut oder schlecht man Gebäude und Freiräume nützen kann, wie gut sie zur Lebensqualität ihrer Benützer*innen beitragen oder nicht. Viele Qualitätsprobleme entstehen durch ungenügende Vorbereitung, durch Streben nach der billigsten, schnellsten, einfachsten Lösung, die sich am Ende als gar nicht so billig, schnell und einfach erweist. Sorgfältige Projektentwicklung und gute Planung sind keine Garanten, aber die wichtigsten Voraussetzungen für qualitätvolle Baukultur. Das bedeutet beispielsweise, dass zu Beginn eines Bauprojektes die lokale Bevölkerung und die zukünftigen Nutzer*innen mit einbezogen werden, um sie an den grundlegenden Entscheidungen zu beteiligen. Dazu zählen auch Entscheidungen über den richtigen Bauplatz, ob neu gebaut oder saniert werden soll, welche Nutzungen in einem Gebäude, ob neu oder bestehend, untergebracht und kombiniert werden können, und wie man vorgehen will, um gute Planung zu erhalten. Dazu gehören insbesondere auch stadtplanerische und städtebauliche Entscheidungen: Wie ist die Erschließung durch verschiedene Verkehrsmodi, wie ist die Einbindung im städtischen oder dörflichen Kontext, wie ist der Bezug zu Gebäuden und Freiräumen im Umfeld, wie öffnet oder schließt sich das zukünftige Gebäude zum Umraum, wie sehr ist es zugänglich oder verschlossen für die Öffentlichkeit – was gibt es für die Stadt oder das Dorf, und was erhält es aus seinem Umfeld? All diese Entscheidungen werden natürlich nicht im luftleeren Raum gefällt, sondern sind idealerweise eingebettet in einen öffentlichen Diskurs über die Raumentwicklung in der Stadt, im Stadtteil oder im Dorf, und sie sind Teil von städtischen Konzepten und Programmen, die im Diskurs mit der Bevölkerung, allen politischen Kräften und wichtigen Stakeholdern sowie unter Beteiligung der entsprechenden Fachexpertise erarbeitet wurden. Zu den vorbereitenden Projekten gehört neben der Beteiligung fundierte Projektentwicklung – und schließlich faire und qualitätsorientierte Planungsvergabe.

Vergabe von Planung und Ausführung

Ein wichtiges Prinzip hochwertiger Baukultur ist die Trennung der Vergabe von Planung und Ausführung: Nur wenn diese beiden entscheidenden Elemente eines Bauprojekts getrennt voneinander zugunsten des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin arbeiten und einander wechselweise kontrollieren, wird eine kosteneffiziente und qualitätvolle Umsetzung zustande kommen.

Ein hervorragender und erprobter Weg zur Beauftragung eines Architektur- und Landschaftsarchitekturbüros bzw. anderer Planungsleistungen ist der offene Architekturwettbewerb, bei dem Entwürfe ausgearbeitet, anonym verglichen und von einer qualifizierten Jury prämiert werden, sodass der Auftraggeber anschließend an die Siegerin bzw. den Sieger einen Planungsauftrag vergeben kann. Es gibt auch andere, qualitätsorientierte Vergabeverfahren für Planungsleistungen – diese sind insbesondere dann sinnvoll, wenn der Aufwand an Ressourcen für die Teilnehmer*innen eines Verfahrens reduziert werden soll. Auch die Ausführungsaufträge sollen fair und qualitätsorientiert sowie, vor allem, getrennt von den Planungsaufträgen vergeben werden. Dabei ist es durchaus sinnvoll, qualitative Entscheidungskriterien einzusetzen, etwa hinsichtlich Nachhaltigkeit oder lokaler Anbieter*innen, um Transportwege zu reduzieren. Abläufe spielen auch insofern eine Rolle, als bei der Planung und Ausführung nicht nur die Kosten der Herstellung eines Gebäudes berücksichtigen werden sollen, sondern die Kosten über seinen gesamten Lebenszyklus, von der Ausführung über die Nutzung bis zum Umbau oder gegebenenfalls zum Abriss. Und sobald ein Gebäude fertiggestellt und bezogen ist, stellt sich die Aufgabe des Lernens aus den gewonnen Erfahrungen: aus den Abläufen der Vorbereitung, Planung und Ausführung, aber ebenso der laufenden Nutzung und Instandhaltung.



10.09.2024

Podiumsdiskussion Baukultur im Nationalrat?

Eine Diskussion zu Boden­schutz, Bestands­erhaltung, Baukultur­förderung

Di 10.09.2024, 18:00-20:00
Im Vorfeld der Parlamentswahlen diskutieren Politiker* innen mit Expert*innen zu Boden, Bestand, Baukultur. Diskutieren Sie mit!

Politiker*innen: Lukas Hammer, Grüne; Elke Hanel-Torsch, SPÖ; Johannes Margreiter, Neos; Johannes Schmuckenschlager, ÖVP (angefragt); Philipp Schrangl, FPÖ (angefragt)

Expert*innen: Simon Pories, WWF; Carina Sacher, Allianz für Substanz; Robert Temel, Plattform Baukulturpolitik

Moderation: Franziska Zoidl

Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Architekturzentrum Wien

 

Folder „Österreich ist schön“

Baukulturpolitische Herausforderungen 2024